Die Rückkehr des Bibers in das Braunschweiger Stadtgebiet

Vortrag am 22.02.2024 im Gemeinschaftshaus Broitzem

Auf Einladung von Pro Natur Braunschweig Südwest referierte Klaus Borchert, Mitglied in der Arbeitsgruppe Biber im NABU-Kreisverband Gifhorn, über die Einwanderung des Bibers in das Braunschweiger Stadtgebiet. 46 Zuhören waren gespannt auf die Beantwortung des etwas provokant gehaltenen Vortragstitel „Biber – ökologische Bereicherung oder Landplage?“

Bis auf eine kleine Restpopulation an der Elbe war der Biber in ganz Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Durch intensive Schutzbemühungen ehrenamtlicher Biberbetreuer und die Ausweisung von Naturschutz- und Biberschongebieten kam es seit den 1970er Jahren zu einem kontinuierlichen Bestandsanstieg, sodass in den letzten 40 Jahren ca. 500 Biber erfolgreich in Deutschland, den Niederlanden und Dänemark angesiedelt werden konnten. Die Ausbreitung des Bibers in unserer Region erfolgte jedoch über natürliche Wanderungen. In vielen Bereichen hatte sich durch Naturschutzprojekte, die Ausweisung von Gewässerrandstreifen und naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen der Lebensraum so verbessert, dass sich in den letzten 20 Jahren Biber von der Elbe über Ohre und Aller bis in Schunter und Oker neu ansiedeln konnten. Der erste Nachweis im Braunschweiger Stadtgebiet erfolgte im Frühjahr 2015 in Querum. Dort waren die typischen Fraßspuren gefunden worden.

Klaus Borchert ging in seinem Vortrag vor allem auch auf den Südwesten Braunschweigs ein. Die Oker südlich von Braunschweig ist wahrscheinlich über den Umweg Mittellandkanal, Stichkanal Salzgitter und Fuhsekanal erreicht worden. Belege, dass der Biber die Innenstadt durchquert hat, gibt es bisher keine. Seit 2019 gibt es ein Revier in den Groß Gleidinger Sandgruben und seit 2021 ein Revier bei Stöckheim und Leiferde. Im Bereich Rüningen, Melverode, Südsee könnte sich ein weiteres Revier entwickeln, ebenso in Riddagshausen und am Ellernbruchsee. Den Fuhsekanal und den Thiedebach wird der Biber dabei als Streifgebiet nutzen.

Biber an der Oker bei Leiferde im Frühjahr 2023 (Foto Harald Schweingruber)

Biber an der Oker bei Leiferde im Frühjahr 2023 (Foto Harald Schweingruber)

Biber sind reine Vegetarier. Sie werden bis zu 30 Kg schwer und erreichen eine Körperlänge von 100 cm ohne ihren abgeplatteten Schwanz. Sie leben monogam im Familienverband und nutzen ein festes Revier, das sie gegen andere Artgenossen intensiv verteidigen. Mit drei Jahren sind Biber geschlechtsreif. Die Paarung findet im Februar/März statt. Gut drei Monate später werden 1 bis 4 Junge geboren. Die Jungen des Vorjahres bleiben im Revier. Sie müssen jedoch mit 2 Jahren abwandern, sich ein biberfreies Gewässer suchen und auf einen Partner warten. Biber sind dämmerungs- und nachtaktiv. Deshalb werden sie häufig nicht bemerkt. Ihre leicht zu entdeckenden Nagespuren an Gehölzen verraten aber ihre Anwesenheit. Weitere Indizien, dass der Biber angekommen ist, sind ihre Futterplätze und ihre Wege zwischen Gewässer und Nahrungsgebiet.

Biberbaue sind hingegen schwieriger zu finden. Der Eingang befindet sich zum Schutz vor Fressfeinden immer unterhalb des Wasserspiegels. Wenn das Wasser tief genug ist, werden reine Erdbaue angelegt. Ansonsten wird der Bau teilweise oberirdisch gebaut und mit Ästen und Schlamm abgedeckt. Mit dem Dammbau reguliert der Biber den Wasserstand. Meist werden sie aber nur in Gräben und flachen Gewässern angelegt, um den Eingang seines Baues unter Wasser zu halten. Dabei können in der intensiv genutzten Kulturlandschaft Probleme durch Vernässung angrenzender Flächen entstehen. Wenn genügend breite Gewässerrandstreifen vorhanden und Bäche und Flüsse renaturiert sind, ist aber ein konfliktfreies Miteinander möglich. Die Aktivität der Biber führt dann zu einer Verbesserung des Lebensraumes für viele andere Arten.

Der sehr anschauliche und mit vielen kurzen Filmbeiträgen bestückte Vortrag hat gezeigt, dass Biber eine Bereicherung für unsere Kulturlandschaft sind. Alle Vortragsbesucher werden jetzt einen anderen Blick auf Oker, Südsee und Fuhsekanal haben und genauer hinschauen, ob Biberspuren zu entdecken sind. Und wenn man in der Dämmerung unterwegs ist, kann vielleicht sogar ein Biber gesehen werden; so scheu sind sie gar nicht.

Klaus Hermann

Das 2. Broitzemer Apfelfest war ein voller Erfolg

Am 21. Oktober 2023 fand gemeinsam mit dem Familienzentrum Broitzem unser 2. Apfelfest auf dem Broitzemer Festplatz statt. Wir waren spät dran und die Wetterprognose sah nicht gut aus, aber um 11 Uhr klarte es auf und die Sonne schien. Die Äpfel waren diesmal schon vorher vermostet worden. Auf den von Pro Natur Braunschweig Südwest gepflegten Obstwiesen am Wiesenweg und in Stiddien gab fast keine Äpfel, aber entlang der Steinbergstraße und anderen öffentlichen Flächen trugen einige Bäume. Der Apfelertrag war bei weitem nicht so hoch wie im letzten Jahr. Das ist Natur, damit müssen wir leben. In diesem Jahr hatten wir nur 116 Apfelsaftkartons, im letzten Jahr waren es 536. Damit möglichst viele unseren Apfelsaft genießen können, gab es pro Person nur einen Karton. Hoffentlich fällt im nächsten Jahr die Ernte wieder besser aus.

Das Familienzentrum hatte wie im letzten Jahr die Kinderbetreuung übernommen. Es wurde  gebastelt und gespielt. Zum Austoben stand eine Hüpfburg bereit. Für die Kinder hatten wir eine Handpresse. Beim Kleinschneiden der Äpfel und Auspressen des Saftes waren sie mit Begeisterung dabei. Schade war jedoch, dass leider keine Äpfel aus der Bevölkerung angeliefert wurden. Da müssen wir mehr Werbung machen. Vielleicht sah in den Hausgärten die Ernte aber auch nicht so gut aus.

Für Essen und Trinken war dank der Kuchenspenden und den köstlichen internationalen Speisen von der Pizzeria La Gondola aus Timmerlah gesorgt. Bedanken müssen wir uns bei Dorothea Gawlitta und dem Familienzentrum. Sie haben wieder großartige Arbeit bei der Kinderbetreuung geleistet. Und bedanken müssen wir uns auch bei Christof Gaebel vom SV Broitzem, der uns wieder ganz
unkompliziert bei der Logistik unterstützt hat. Die Braunschweigische Landessparkasse hatte wieder Pavillons, Sitzgelegenheiten, Hüpfburg und Bastelmaterial für die Kinder bereitgestellt. Als Verein können wir stolz darauf sein, dass wir wieder dank vieler helfenden Hände, der Unterstützung mit Kuchenspenden und der Bereitstellung von PKW und Anhängern eine schöne Veranstaltung durchführen konnten.  

Unser 3. Apfelfest findet am Samstag, 28. Sept. 2024, statt.

Flachsrotten – Geschichte, Nutzung und heutige Bedeutung für den Naturschutz

Vortrag am 26. Juni 2023 im Gemeinschaftshaus Broitzem von Dipl.-Ing. Klaus Hermann über den historischen Anbau von Flachs und die Verarbeitung zu Leinen. Als heute noch sichtbares Zeichen des vor ca. 150 Jahren zu Ende gehenden Flachsanbaus werden Flachsrotten, die es in jeder Gemarkung gegeben hat, vorgestellt.

„Einst war aber der Flachsanbau weit bei uns weit verbreitet und wogende blaue Flachsfelder erfreuten das Auge. Heute ist ein Flachsfeld eine Ausnahmeerscheinung, die freudig inmitten der Spargel-, Rüben-, und Kornfelder überrascht. Verlassen sind die Flachsrotten, die als ungenutzte Gruben daliegen und vom jüngeren Geschlechte nicht mehr gedeutet werden können“, schrieb 1896 Richard Andree in seinem Buch Braunschweiger Volkskunde. Gut 120 Jahre später hat sich daran nicht viel geändert.

Beschickung einer Flachsrotte (Foto: Archiv Quentin)

Flachsfelder gehörten über Jahrhunderte zu jedem Bauernhof und jeder war im Dorf mit den vielen mühseligen Verarbeitungsschritten vertraut, bis aus der Flachspflanze endlich Leinengarn oder ein Leinentuch wurde. So sind auch heute noch auf vielen Höfen Spinnräder, Flachshechel, Bracken oder Flachsschwingen vorhanden.

Um die Fasern aus den Flachspflanzen herauslösen zu können, müssen sie einige Tage im Wasser liegen. Die Pflanzen fangen dann an zu faulen. Das dabei verschmutzte Wasser und der fürchterliche Gestank führten oft zu Streitigkeiten im Dorf oder zwischen den Dörfern. Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden mit den Separationsverfahren in allen Dörfern des Herzogtums Braunschweig spezielle Flächen für Flachsrotten ausgewiesen. Damit sollten die Probleme beseitigt und ein friedliches und sozial gerechtes Miteinander ermöglicht werden.

Im Vortrag wurden Flachsanbau und Verarbeitung als Beispiel für die Lebens- und Arbeitsweise der ländlichen Bevölkerung, wie sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte, erläutert. Die Flachsrottenflächen mit ihren vielen kleinen Flurstücken sind bis heute meist noch vorhanden, sie spiegeln bis heute die sozialen Abstufungen in den Dörfern wider.

Auch wenn die in der Separation ausgewiesenen Flachsrotten schon nach wenigen Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurden, viele dieser Anlagen sind noch vorhanden. Für den ungeübten Betrachter sehen sie aus wie Hecken, Röhrichte oder kleine Feldgehölze.  Manchmal sind sie auch zu Fischteichen oder Badeanstalten umfunktioniert worden. In der heute intensiv genutzten Kulturlandschaft sind die meisten von ihnen heute wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere.

Der Feldhamster

– in 50 Jahren vom Schädling zur vom Aussterben bedrohten Art

Am Montag, 13. März 2023, hielt Diplom-Biologe Uwe Kirchberger im Gemeinschaftshaus Broitzem einen sehr informativen Vortrag. Die Folien zum Vortrag sind nun auf der Internetseite der Stadt Braunschweig veröffentlicht worden.

Der Name des Feldhamsters (Cricetus cricetus) geht auf das althochdeutsche Wort hamastro (Kornwurm) zurück. Er bewohnt Steppen und offene Kulturlandschaften und besiedelt in Deutschland ausschließlich die Agrarlandschaft. Somit ist er in besonderem Maße auf die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen angewiesen.

Noch vor 50 Jahren war der Feldhamster weit verbreitet und es wurden Prämien für erlegte Tiere gezahlt. 1984 wurde der Feldhamster dann auf der Roten Liste Deutschlands als „gefährdet“ und zehn Jahre später als „stark gefährdet“ eingestuft. Inzwischen sind die Vorkommen so selten geworden, dass der Feldhamster weltweit vom Aussterben bedroht und streng geschützt ist.

Das südliche Stadtgebiet von Braunschweig gehört noch zu den wenigen, sehr bedeutsamen Feldhamstervorkommen in Niedersachsen. Durch gezielte Schutzmaßnahmen können Feldhamster in ihrem Lebensraum erhalten bleiben. Auf Kernbiotopflächen wie in Broitzem existieren seit vielen Jahren gute Bestände.

Obstbaumschnittkurs Januar 2023

Obstbaumschnittkurs fand großen Zuspruch

Am 16. Januar fand im Gemeinschaftshaus Broitzem der Theorieteil des von Pro Natur Braunschweig Südwest organisierten Obstbaumschnittkurses statt. Mit 46 Teilnehmern war er sehr gut besucht. Dies zeigt, dass das Interesse an der Pflege eigener Obstbäume und am Wissen um erfolgreiches Gärtnern groß ist. Nach einer allgemeinen Einführung in den Obstbau erläuterte der Referent, Christoph Böhm, anhand von vielen Folien den fachgerechten Obstbaumschnitt. Mit Vorher-Nachher-Bildern wurden die Schnittmaßnahmen anschaulich und gut nachvollziehbar vorgestellt.

Am darauffolgenden Samstag konnte das Gelernte auf der von Pro Natur Braunschweig Südwest gepflegten Obstwiese in Stiddien praktisch angewandt werden. Angefangen beim Erziehungsschnitt neu gepflanzter Bäume, der zum Aufbau von kräftigen und tragfähigen Kronen erforderlich ist, über den Überwachungsschnitt von Bäumen, die in ihrer Ertragsphase sind, bis zum Verjüngungsschnitt an älteren Bäumen, konnte die „graue“ Theorie anschaulich in Praxis umgewandelt werden.

Obstbäume sind Kulturgut, das gepflegt werden muss und sie sind langlebige Gehölze, die bei guter Pflege ein Ertrags- und Lebensalter von fünfzig und mehr Jahren erreichen. Bei ausbleibender oder unsachgemäßer Pflege entwickelt sich jedoch kein gesundes und schmackhaftes Obst und der Baum kann vorzeitig Äste verlieren und absterben. Damit auch in diesem Jahr wieder ein Apfelfest auf dem Broitzemer Festplatz stattfinden und gesunder Apfelsaft gemostet werden kann, wird Pro Natur Braunschweig Südwest sich auch weiterhin um die Pflege der Obstwiesen kümmern. Wer dabei helfen möchte, kann sich gern melden.

Evolutionsweg Geitelde – Broitzem

4,6 Milliarden Jahre Erdgeschichte auf 1.500 m

Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Wo sind Anfang und Ende? Fragen, die sich die Menschheit wohl zu allen Zeiten und auf allen Kontinenten gestellt hat. Die Geschichte der Erde und die Entwicklung des Lebens fasziniert viele Menschen. Für viele stellt sich die Geschichte aber auch kompliziert dar und ist aufgrund der langen Zeiträume mitunter schwer verständlich.

Braunschweigs Südwesten ist um eine Attraktion reicher geworden und sie beantwortet viele Fragen zur Erdgeschichte und zur Entwicklung des Lebens. Der 1.500 m lange Evolutionsweg beginnt in Geitelde an der Steinbergstraße und verläuft Richtung Norden zum Broitzemer Steinberg. Er veranschaulicht zeitmaßstabsgerecht auf 19 Thementafeln die wichtigsten Stationen seit der Entstehung der Erde vor 4,6 Milliarden Jahren und den ersten Spuren des Lebens bis zum Auftreten des modernen Menschen. Tafeln am Anfang und am Ende des Weges dienen der Erläuterung des Weges. Mit jedem Schritt auf dem Evolutionsweg vergehen gut 3 Millionen Jahre. Da werden die Dinosaurier und das gesamte Erdmittelalter zu einem ziemlich jungen Phänomen, das sich auf den letzten 180 Metern des Weges abspielt. Welchen immensen Zeitraum das Leben da bereits hinter sich hat, wird anhand des Weges im wahrsten Sinne erleb- bzw. erlaufbar. Der Homo sapiens, der moderne Mensch, erscheint bei diesem Maßstab erst auf den letzten 10 Zentimetern des Weges.

Ein QR-Code auf jeder Tafel ermöglicht die Verbindung zur Webseite evolutionsweg.de, wo ausführliche Erklärungen zur jeweiligen Station hinterlegt sind. Entwickelt wurden die Tafeln von der Regionalgruppe Rhein-Neckar der Giordano-Bruno-Stiftung, die 2019 in Leimen-Gauangelloch einen Evolutionsweg angelegt hat.

Der Braunschweigische Landesverein ist Träger des Evolutionswegs Geitelde – Broitzem. Gefördert wurde der Lehrpfad von der Stadt Braunschweig, der Bingo-Umweltstiftung Niedersachsen und den beiden Stadtbezirksräten Broitzem und Geitelde – Timmerlah – Stiddien.

Besonders angesprochen sind Kinder und Jugendliche, sie können sich spielerisch, an der frischen Luft und in Bewegung mit dem Thema befassen. Ihnen wird mit dem Evolutionsweg ein besonderes Erlebnis in der Natur vermittelt. Zugleich regen die Schautafeln dazu an, sich mit dem Schutz und Erhalt der Erde und ihrer Lebewesen auseinanderzusetzen.

Fällung der Linde in der Rentensiedlung

Fällung der Linde in der Rentensiedlung

„Zu fällen einen schönen Baum,
braucht ’s eine halbe Stunde kaum.
Zu wachsen, bis man ihn bewundert,
braucht er, bedenk‘ es, ein Jahrhundert.“

Wohl wahr, was Eugen Roth geschrieben hat. Aber manchmal geht es nicht anders. Die Straße Rentensiedlung in Broitzem ist eine beschauliche kleine Sackgasse. Sie führt leicht bergauf und immer hatte man die Linde an ihrem Ende im Blick. Mittlerweile war sie zu einem stattlichen Baum herangewachsen und prägend für das ganze Wohnviertel. Sie muss mit dem Bau der Häuser und der Anlage der Straße gepflanzt worden sein. Und das ist schon 100 Jahre her. Die sogenannte Rentensiedlung wurde 1922 fertiggestellt. Ihren Namen hat sie vom damaligen Bauträger, der Evangelischen Rentenhausgenossenschaft.

100 Jahre sind für eine Linde eigentlich kein Alter. Aber im Laufe ihres Lebens muss sie Schaden genommen haben. Vielleicht haben vor Jahrzehnten Leitungsarbeiten ihre Wurzeln beschädigt oder an ihrem Stammfuß hatte es eine Rindenbeschädigung gegeben und so konnte ein Pilz in sie eindringen, der sie ähnlich einem Krebsgeschwür von innen her auflöste.

Am Stamm war der Schaden nur schwer zu erkennen, aber ihr Laub und die fehlende Feinverzweigung deuteten schon darauf hin, dass es ihr nicht gut ging. Der Fachbereich Stadtgrün fällt heutzutage keine alten Bäume ohne vernünftigen Grund. Wenn man im unteren Bereich des Stammes klopfte, konnte man es schon hören: Hohlklang. Ein Gutachten betätigte dann ihre mangelnde Standfestigkeit. Heute gibt es verschiedene Untersuchungsmethoden für Bäume. Eine Schalltomographie und eine Bohrwiderstandmessung wurden durchgeführt und der Befall mit dem Brandkrustenpilz wurde entdeckt. Der Pilz hatte Moderfäule verursacht und die Wurzelanläufe und den Stamm zersetzt. Die Standfestigkeit des Baumes war nicht mehr gegeben und es bestand akute Bruchgefahr.

Ein Jammer, dass dieser schöne Baum gefällt werden musste. Alte Bäume sind in ihrer Zersetzungsphase für viele Käfer ein wichtiger Lebensraum und hohle Bäume sind in der Natur normal und bieten Höhlenbrütern Wohnraum. Aber, und das muss auch ein Baumfreund anerkennen, Sicherheit geht vor. Es hätten Menschen zu Schaden kommen können. Am 12. Oktober wurde der Baum gefällt. Es hat ein bisschen länger als eine halbe Stunde gedauert, einfach fällen konnte man den Baum nicht. Mittels eines Hubsteigers wurde er stückweise heruntergesetzt. Ganz verlassen hat uns die Linde nicht. Als Biotopholz wurden ihr Stamm und das starke Astholz auf der Ausgleichsfläche zwischen der Straße nach Stiddien und dem Broitzemer Wiesenweg abgelegt. So kann ihr Holz noch Lebensraum für Käfer, Pilze und die hier vorkommende Waldeidechse sein.

Der Fachbereich Stadtgrün hat die Neupflanzung eines Baumes an alter Stelle zugesichert.

Klaus Hermann
(Pro Natur Braunschweig Südwest e.V.)

Wie sich die Landschaft in Braunschweigs Südwesten verändert hat

Timmerlaher Bruch – Anfang der 1990er Jahre wurde Acker in Grünland umgewandelt

Vor 30 Jahren sah die Landschaft im Südwesten Braunschweigs noch anders aus. Die kurze Zusammenstellung soll zeigen, was sich in dieser Zeit verändert hat und wie Ort und Landschaft gestaltet und mehr „Natur“ entstehen kann.
Broitzem war von Ackerflächen umgeben, eine Ortsrandeingrünung fehlte vollständig. Bis in die 1980er wurden Baugebiete ohne Eingrünung ausgewiesen. Auch eine Begrünung der Straßen fehlte. In der Landschaft gab es nur noch Acker, das wenige Grünland, das es einmal in Broitzem gab, war schon lange zu Ackerland umgewandelt worden. Entlang der Feldwege gab es weder Baum noch Strauch. Nur an den Straßen nach Stiddien, Geitelde und Rüningen standen Obstbäume und Linden.

Flurbereinigungen Groß Gleidingen und Broitzem

Die ersten Veränderungen zu mehr Natur in der Landschaft gab es Ende der 1980er Jahre durch das vom Amt für Agrarstruktur durchgeführte Flurbereinigungsverfahren Groß Gleidingen, zu dem auch Flächen in der Timmerlaher Gemarkung gehörten. Ziel des Verfahrens war es zwar, landwirtschaftliche Flächen zusammenzulegen und Feldwege auszubauen, es konnten aber auch Naturschutzmaßnahmen und die dafür erforderlichen Grundstücksankäufe gefördert werden, was von der Gemeinde Vechelde und der Stadt Braunschweig auch in Anspruch genommen wurde. Insgesamt wurden so 42 ha Acker in Biotopfläche umgewandelt. Die gesamte Niederung des Fuhsekanals von der Straße Teufelsspring bis zum Stichkanal nach Salzgitter wurde in Sukzessionsfläche und extensiv zu nutzendes Grünland umgewandelt. Fünf Landschaftsteiche wurden angelegt und im gesamten Bereich Gehölzpflanzungen vorgenommen. Vom Fuhsekanal bis zum Gleidinger Holz wurden entlang der Stadt- bzw. Gemeindegrenze Hecken gepflanzt.
Anfang der 1990er wurde das Flurbereinigungsverfahren Broitzem vom Amt für Agrarstruktur eingeleitet. Diesmal in der Gemarkung Broitzem und Teilen der Gemarkung Stiddien. Dabei wurden weitere Ackerflächen am Fuhsekanal aufgekauft und in extensiv zu nutzendes Grünland umgewandelt. Heute grasen auf den Flächen Gallowayrinder. Entlang der Gemarkungsgrenze Broitzem – Stiddien wurde zwischen Wiesenweg und der Straße von Broitzem nach Stiddien entlang des Grenzgrabens ein breiter Streifen aus der Ackernutzung genommen und eine Heckenpflanzung vorgenommen. Kurze Heckenstücke und Bäume wurden auch am neu ausgebauten Wiesenweg gepflanzt, der bis in die Gemarkung Stiddien verlängert wurde, so dass nun eine Verbindung zur Straße Teufelsspring entstand. Durch das Flurbereinigungsverfahren konnten auch Flächen getauscht und ausgewiesen werden, um das Neubaugebiet am Steinberg, den Radweg nach Stiddien und die Wegeverbindung am westlichen Ortsrand von der Stiddienstraße zum Wiesenweg anzulegen.

Neue Baugebiete
Durch Neubaugebiete, nicht nur in Broitzem, ergaben sich weitere naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen durch die Stadt Braunschweig, so dass mittlerweile die gesamte Niederung des Fuhsekanals aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung genommen worden ist. Auch wurden die neuen Broitzemer Baugebiete eingegrünt. Nun ist es möglich, um den gesamten Ort auf schön begrünten Wegen zu gehen. Und eine Besonderheit gibt es noch auf dem Steinberg. Da sich Feldhamster auf den guten Ackerböden in Braunschweigs Südwesten wohl fühlen, muss bei Verlust des Lebensraums neuer geschaffen und Hamster unter Umständen umgesiedelt werden. Dies ist mit dem Hamsterfeld zwischen Funkturm und Steinbergsiedlung geschehen, die ehemalige Ackerfläche wird seit einigen Jahren „hamsterfreundlich“ bewirtschaftet; wovon auch viele andere Säugetiere, Vögel und Insekten profitieren.

Naturschutzgruppe
In Broitzem gibt es seit einigen Jahren eine kleine Naturschutzgruppe, die in lockerer Verbindung zueinander steht und neben der Pflege der Obstwiesen am Wiesenweg und in Stiddien immer mal wieder kleine Naturschutzprojekte durchführt.
Angefangen hatte es mit den beiden Obstwiesen 2001 in Stiddien und 2007 in Broitzem. Seitdem finden Arbeitseinsätze statt, um die beiden Wiesen naturschutzgerecht zu entwickeln. Seit einem Jahr werden die Äpfel vermostet und der Saft kann erworben werden.
2013 wurde ein Nisthilfenprojekt durchgeführt. In der Großen Grubestraße wurde ein Artenschutzturm errichtet, der Vögeln, Fledermäusen und Insekten Wohnraum bietet. Ein Wildbienenhotel wurde auf dem Steinberg aufgestellt und viele Nistkästen wurden angebracht. Seitdem brüten Falken erfolgreich an der Scheune am Ortsausgang Richtung Stiddien. Teiche wurden angelegt und Biotopholz für die entlang des Fuhsekanals vorkommenden Waldeidechsen in die Landschaft gebracht. Ein besonderer Erfolg ist die Ansiedlung von Laubfröschen. 2016 wurden mit behördlicher Genehmigung Kaulquappen in einem Teich auf der Obstwiese in Stiddien ausgesetzt. Nun kommen sie mittlerweile in sechs Teichen zwischen der Stadtgrenze im Westen und dem Broitzemer Ortsrand vor. Auch die Ansiedlung des Storches war von Erfolg gekrönt. Im November 2019 wurde auf der Rinderweide am Wiesenweg ein Storchenhorst aufgestellt. Im Frühjahr 2020 schaute schon Pärchen vorbei und in diesem Jahr wurden die ersten zwei Jungstörche erfolgreich aufgezogen.

Vogelwelt wird reichhaltiger
Besonders die Vogelwelt hat von den vielen Naturschutzmaßnahmen profitiert. In den Grünanlagen an den Rändern der Neubaugebiete finden sich vor allem Blau- und Kohlmeisen, Mönchs- und Klappergrasmücken; ab und an lassen sich Dompfaffen, Schwanzmeisen und Grünspechte sehen. Entlang des Wiesenweges und im Timmerlaher Bruch leben Goldammern, Schwarzkehlchen und Neuntöter. In den Röhrichten am Fuhsekanal kann man Teichrohrsänger, Rohrammer und Feldschwirl hören, sehen kann man sie meist nicht. Dafür aber den Kuckuck, wie er nach den Nestern der Röhrichtbewohner sucht, um hier seine Eier abzulegen. Auch die Nachtigallen und der Gelbspötter, die sich gern in etwas dichteren Gehölzbeständen aufhalten, sind regelmäßig zu hören. Die Vogelwelt hat sich durch die vielen Naturschutzmaßnahmen gut entwickelt. Es sind aber auch mindestens zwei Arten in den letzten 20 Jahren verschwunden. Feldsperlinge und Türkentauben kommen in Broitzem nicht mehr vor.

Gib der Natur ein Zuhause – da wo du lebst.
Es gibt also noch einiges zu tun, um unseren Stadtbezirk weiterhin lebens- und liebenswert zu gestalten. Wer mehr erfahren oder in der Naturschutzgruppe aktiv werden möchte kann sich gern melden.
vorsitz@pronatur-bs-sw.de, 0170 265 9565

Ansiedlung des Laubfrosches (Hyla arborea) in der Niederung des Fuhsekanals

Ansiedlung des Laubfrosches (Hyla arborea) in der Niederung des Fuhsekanals

Im Stadtgebiet von Braunschweig waren seit Jahrzehnten keine Laubfroschvorkommen mehr bekannt. Es wurden lediglich einzelne Tiere kartiert, bei denen es sich wahrscheinlich um wandernde oder ausgesetzte Einzeltiere gehandelt hatte. Durch erfolgreiche Wiederansiedlungen in den 2010er Jahren in der Schunterniederung und in Riddagshausen wurden im Frühjahr 2015 Überlegungen angestellt, ein Wiederansiedlungsprojekt in der Fuhsekanalniederung zu beginnen. Entlang des Fuhsekanals zwischen Broitzem und der westlichen Stadtgrenze wurden zwischen 1990 und 2005 durch das Flurbereinigungsverfahren Groß Gleidingen Ackerflächen in extensives Grünland und Sukzessionsfläche umgewandelt. Es wurden zwei Obstwiesen und eine Reihe von kleinen Teichen angelegt. Ergänzt wurden diese Umgestaltungen durch Kompensationsmaßnahmen der Stadt Braunschweig, die im Rahmen von Bauleitplänen angelegt wurden.

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