Flachsrotten – Geschichte, Nutzung und heutige Bedeutung für den Naturschutz

Vortrag am 26. Juni 2023 im Gemeinschaftshaus Broitzem von Dipl.-Ing. Klaus Hermann über den historischen Anbau von Flachs und die Verarbeitung zu Leinen. Als heute noch sichtbares Zeichen des vor ca. 150 Jahren zu Ende gehenden Flachsanbaus werden Flachsrotten, die es in jeder Gemarkung gegeben hat, vorgestellt.

„Einst war aber der Flachsanbau weit bei uns weit verbreitet und wogende blaue Flachsfelder erfreuten das Auge. Heute ist ein Flachsfeld eine Ausnahmeerscheinung, die freudig inmitten der Spargel-, Rüben-, und Kornfelder überrascht. Verlassen sind die Flachsrotten, die als ungenutzte Gruben daliegen und vom jüngeren Geschlechte nicht mehr gedeutet werden können“, schrieb 1896 Richard Andree in seinem Buch Braunschweiger Volkskunde. Gut 120 Jahre später hat sich daran nicht viel geändert.

Beschickung einer Flachsrotte (Foto: Archiv Quentin)

Flachsfelder gehörten über Jahrhunderte zu jedem Bauernhof und jeder war im Dorf mit den vielen mühseligen Verarbeitungsschritten vertraut, bis aus der Flachspflanze endlich Leinengarn oder ein Leinentuch wurde. So sind auch heute noch auf vielen Höfen Spinnräder, Flachshechel, Bracken oder Flachsschwingen vorhanden.

Um die Fasern aus den Flachspflanzen herauslösen zu können, müssen sie einige Tage im Wasser liegen. Die Pflanzen fangen dann an zu faulen. Das dabei verschmutzte Wasser und der fürchterliche Gestank führten oft zu Streitigkeiten im Dorf oder zwischen den Dörfern. Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden mit den Separationsverfahren in allen Dörfern des Herzogtums Braunschweig spezielle Flächen für Flachsrotten ausgewiesen. Damit sollten die Probleme beseitigt und ein friedliches und sozial gerechtes Miteinander ermöglicht werden.

Im Vortrag wurden Flachsanbau und Verarbeitung als Beispiel für die Lebens- und Arbeitsweise der ländlichen Bevölkerung, wie sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte, erläutert. Die Flachsrottenflächen mit ihren vielen kleinen Flurstücken sind bis heute meist noch vorhanden, sie spiegeln bis heute die sozialen Abstufungen in den Dörfern wider.

Auch wenn die in der Separation ausgewiesenen Flachsrotten schon nach wenigen Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurden, viele dieser Anlagen sind noch vorhanden. Für den ungeübten Betrachter sehen sie aus wie Hecken, Röhrichte oder kleine Feldgehölze.  Manchmal sind sie auch zu Fischteichen oder Badeanstalten umfunktioniert worden. In der heute intensiv genutzten Kulturlandschaft sind die meisten von ihnen heute wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere.

Ein Gedanke zu „Flachsrotten – Geschichte, Nutzung und heutige Bedeutung für den Naturschutz

  • 18. August 2023 um 05:37 Uhr
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    „Flachsfelder gehörten über Jahrhunderte zu jedem Bauernhof und jeder war im Dorf mit den vielen mühseligen Verarbeitungsschritten vertraut, bis aus der Flachspflanze endlich Leinengarn oder ein Leinentuch wurde. So sind auch heute noch auf vielen Höfen Spinnräder,
    Flachshechel, Bracken oder Flachsschwingen vorhanden.“

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    Der Beitrag war sehr interessant zu lesen, besonders mit dem Bezug zur sozialen Gliederung der bäuerlichen Gesellschaft.

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